IN DUNKLEN ZEITEN

Gedicht von Andreas Reimann

Darf einer singen, wenn geschütze dröhnen
und selbst der nachbar zorn und hass vermischt,
und wenn die seuche mit dem schleppnetz fischt,
und wenn die leute um die zukunft stöhnen?

Da muß er singen! Alle schönheit muß
in töne er und wörter übersetzen,
sich selbst zu hören, und auf allen plätzen
ein lied zu sein: ein sanfter regenguß
im überhitzten! Daß da kein gesicht,
verschwitzt, verkrampft, dem mörder ähnlich werde:
die freundlichkeit ist leicht uns auszutreiben.

Doch mensch sein heißt: es bleiben. Andres nicht. –

Drum wag ein lied, die zärtliche gebärde:
wir müssen für den frieden tauglich bleiben.

Nach Corona

Hab ich mich vertan?

Ganz sicher, denn ich hatte ja gehofft, dass die Menschen in der Corona-Pandemie zusammenrücken, solidarisch sind und sich ihrer Verletzlichkeit bewusst. Das wird auch in manchen Fällen so gewesen sein. Lassen wir das einfach so stehen. Aber im Allgemeinen sieht es doch eher so aus:

Danke Philipp Sturm für diesen treffenden Blick auf uns. Wer sich auf diesem Bild nicht wiederfindet, darf sich gerne beschweren.

Bei mir oder beim Autoren.

…oder bei ihm:

Nochmal danke.

Fortschritt

Das war das Zauberwort unserer Kindheit und Jugend. Dem konnte sich keiner entziehen. Für den Fortschritt zu sein, war das Einzige. Raus aus Einerlei, Piefigkeit, Mühsal, Sorgen. Das war die Verheißung der neuen Zeit, die hier nicht Wirtschaftswunder hieß, sondern eben Fortschritt.

Fortschritt, so hießen Sportvereine, Genossenschaften in Stadt und Land, so sangen wir fröhlich und erwartungsvoll, gehüllt in die Uniform der neuen Zeit. Alles atmete – Fortschritt.

Mittlerweile denke ich, dass es weltweit vielen Menschen so ging, hat doch die Wirtschaft in den letzten 75 Jahren ungekannten Aufschwung erlebt.

Wo sind wir angekommen?

Hat der Fortschritt sein Versprechen eingelöst?

Sind wir fortschrittlich gewesen oder von etwas Wesentlichem fortgeschritten?

Darüber lohnt es sich meiner Ansicht nach zu debattieren. Darüber, und was unsere Kinder daraus lernen müssen, und unsere Enkel.

Und lasst uns diese alberne Spalterei vergessen. In wenigen Monden werden wir es eh tun, also ziehen wir es vor.

Jeder Tag zählt. Unsere Zeit ist endlich, nutzen wir sie.

Da haben wir’s

Wahlnacht in Thüringen: Höcke-hoch liegt der Unrat auf der Autobahn (Quelle: OTZ)

Das kam ja nun auch nicht unerwartet. Wenn ein ganzes Bundesland bar jeder Vernunft abstimmt, muss das ja Konsequenzen haben. Der Himmel machte seinem Zorn Luft und schickte ein kräftiges Unwetter. Bis zur Höcke wurde die A4 bei Bucha zuge…schüttet. Möglicherweise hat es wieder die Falschen erwischt.

Besuch

So könnte der Besuch aussehen

Machen wir uns nichts vor: Manchmal denken wir daran. Wie es sein wird, wenn plötzlich dieses UFO im Garten landet. Wenn sich kleine grüne Wesen mit Staubsaugerrüsseln mit ans Lagerfeuer setzen, komische Töne von sich geben und uns fragend anschauen.

Das US-Militär hat jetzt einen Bericht über auffällige Sichtungen vorgelegt, die zumindest auf unerklärliche Phänomene zurückzuführen sind. Für extraterrestrische Besucher gibt es allerdings (noch) keinen Beleg. Aber immerhin, wir werden mal wieder daran erinnert.

Was würde sich ändern?

Sind wir dann auf einmal ein Team – wir Erdlinge?

Werden wir uns mit den neuen Nachbarn vertragen oder genau so rüde sein wie wir es bisher gehalten haben?

Werden wir uns dann weniger wichtig nehmen oder dann erst recht nach den Sternen greifen?

Werden wir dann endlich über den Tellerrand schauen und unseren Blick weiten? Oder buddeln wir uns ein in Vorurteile und Verschwörungstheorien?

Entschuldigung für die blöde Frage, aber… warum können wir nicht schon jetzt damit anfangen, vernünftig zu werden?

Woher kommt diese Wut?

Wir haben vier Eigenschaften, die uns das Leben schön machen, aber auch verdammt schwer:

  1. Wir wollen frei sein. Frei im Denken und im Handeln. Dass diese Freiheit eine zweite Seite hat (die heißt Verantwortung), übersehen wir gelegentlich. Das ist nicht schlimm, denn dabei hilft uns Eigenschaft Nummer 2:
  2. Wir wollen Führung haben. Im Klartext: Wir wollen die Verantwortung abgeben. Wenn immer es zu schwierig wird, rufen wir nach Führung: Erst nach Mama, dann nach dem Staat. Das ist natürlich ein Widerspruch, aber das ist nicht schlimm. Wir haben ja zum Glück Eigenschaft 3:
  3. Wir können unsere Fehler ausblenden. Das ist sehr hilfreich, schützt vor Minderwertigkeitsgefühlen und Depressionen, macht das Leben angenehm und leicht. Aber obwohl wir nun ein fast perfektes Weltbild haben, gehen immer noch so viele Dinge schief. Wer ist daran schuld? Ganz klar:
  4. Schuld sind immer die anderen. Und damit ist der geniale Kreis geschlossen.

Dummerweise sind wir trotzdem nicht glücklich. Wie auch, wenn wir uns schon ab Eigenschaft 1 anfangen selbst zu belügen? Aber je tiefer wir ins Lügengeflecht gelangen, umso schlechter können wir die Lügen zugeben, später können wir sie nicht mal mehr als Lüge erkennen. Und hier ist der Punkt, wo die Wut herkommt: Ich bin doch im Recht und alle anderen im Unrecht (ausgenommen die Handvoll Leute, auf die ich angewiesen bin). Was macht das mit mir, der ich nur noch von Feinden umzingelt bin? Leicht vorzustellen: Ich werde regelrecht verrückt vor Wut.

Aber wie komme ich da wieder raus?

Ich will da gar nicht wieder raus, weil: das tut weh! Dafür müsste ich zuerst meine Waffen, dann meine Überzeugungen über Bord werfen! Das letzte, was ich brauche, sind Belehrungen von wohlmeinenden Besserwissern, die meine Argumente zerpflücken, um mich zu bekehren.

Es würde schon helfen, ernst genommen zu werden, nicht in irgendeine Ecke gestellt oder als <Whatever>-„Leugner“ abgestempelt zu werden. Ist es nicht wichtig, die Dinge zu hinterfragen, skeptisch zu sein, die allzu Selbstsicheren herauszufordern, Dummheit beim Namen zu nennen?

Das ist der Bereich, wo wir uns treffen müssen, wo Kraft und Ausdauer gefragt sind. Da kann aus der Wut was Brauchbares werden.

Wenn wir nicht nur meckern, sondern sagen, wie es besser geht.

Wenn wir für unser Denken und Tun Verantwortung übernehmen. Und behalten.

Der Traum ist aus!

Erleichterung: Donald J. Trump verlässt Washington D.C. am Morgen des 21. 1. 2021

Ein Alptraum geht zu Ende. Erstmal aufatmen. Aber dann bitte dranbleiben. Das kann, das darf nicht wieder passieren. Ein so durchschaubarer Taschenspieler, was hat er mit der Demokratie angestellt? Was hat er mit uns gemacht? Bestenfalls hat er uns gezwungen, Farbe zu bekennen. Nicht für Links oder Rechts, Rot oder Grün – für Humanität, Solidarität, Verantwortung, Frieden. Gegen Respektlosigkeit, Überheblichkeit, gegen Hass und Häme.

Mögen sich alle, ob Demokraten oder Republikaner, am Hinterkopf kratzen, sich schütteln und die Katerstimmung nutzen, um zur Besinnung zu kommen. Es geht doch nicht ums Rechthaben oder ums Reichwerden. Es geht darum, einander zu dienen. Und ab und zu mal in das dicke Buch reinzuschauen, statt es verlogen in die Kamera zu halten.

Anstandssieg

Jawoll! Es muss auch ab und zu Lichtblicke geben. Die Abwahl Donald Trumps als US-Präsident ist so einer. Nicht, dass die Welt schlagartig ein besserer Ort wäre, aber die Aussicht darauf ist es.

Lasst uns aus den letzten Jahren lernen, wie schnell man einem Großmaul auf den Leim geht. Und es nicht so schnell vergessen!

Amerika, Du hast es so gewollt, Du hast es ertragen, Du hast es abgeschüttelt. Du hast gezeigt, wie Demokratie geht.

Mr. Biden, Mrs. Harris: Bitte übernehmen Sie und zeigen Sie sich dieser Aufgabe würdig. Dieses Land und diese Welt haben es verdient.

Trump-Wähler müssen erst einmal stark sein, so wie immer nach einer verlorenen Wahl. Hoffentlich sind auch Respekt und Anstand ansteckend.

Gute Genesung!

Hier nochmal, weil es so schön war / ist / bleibt


.. und noch einer

Herausforderung die II.

Darf man diese Virus-Krise mit der „Wende“ von 1989/1990 vergleichen? In vielen Bereichen sicher nicht, in manchen schon.

Die Wende hat uns vor die erste Herausforderung gestellt: Auf einmal waren wir Ostmenschen mündige Staatsbürger. Wir durften plötzlich eine Meinung haben, wir durften frei wählen. Und wir mussten, um unsere Freiheit im Denken und Reisen auch zu nutzen, das nötige Kleingeld verdienen.

Jetzt verlangt dieses Virus (bzw. die Angst vor selbigem), dass ich mit mir selber klarkomme. Wenn alle Zerstreuung, Unterhaltung zusammenschrumpft, was mache ich in der vielen freien Zeit, die ich vorher mit Einkaufen, Essen gehen, Konzert- und Kinobesuchen erschlagen habe? Will ich wirklich ein Buch lesen, Telefonieren, Skypen, Ausruhen, Wandern, Radfahren? Kann ich mich ertragen? Einfach mich selbst annehmen?

Forderte die erste den Wandel vom Untertan zum freien Bürger, so ist die zweite die Umkehr vom bewusstlosen Konsum zum achtsamen Leben.

Kommt darauf an, wass jeder daraus macht…